Unter dem Motto „Leben zwischen den Mauern“ hatte der Verein Forum Eine Welt am 15.11.2024 zu einem Vortrag eingeladen. Hierzu gab die palästinensische, griechisch-orthodoxe Christin und Friedensaktivistin Faten Mukarker 30 Schüler*innen der Jahrgangsstufen 11 bis 13 bewegende Einblicke in ihr Leben im besetzten Westjordanland mit dem Ziel einer differenzierten Sicht auf den Konflikt im Heiligen Land.
Geboren in Bethlehem, aber durch die Anstellung des Vaters als Schriftsetzer für Arabisch in den 1950er Jahren in Alfter bei Bonn aufgewachsen, schilderte sie anschaulich, wie sie als arabisches Mädchen zwischen deutscher Alltagskultur in der Schule und arabischer Sprache und Kultur zuhause hin und her wechselte: „In Deutschland war ich nur vormittags“, erklärte sie. „Sobald ich mittags die Haustür hinter mir schloss, tauchte ich ein in die arabische Welt.“ Für ihre Eltern dagegen entstand keine Verbindung. Sie blieben allein in der arabischen Kultur beheimatet und verheirateten ihre Tochter traditionell mit einem ihr unbekannten Mann aus ihrer Heimatstadt Bethlehem, wo Mukarker seitdem lebt. Als Reiseleiterin kann sie aufgrund des derzeitigen Krieges kaum arbeiten; Touristen, denen sie die Geburtsstadt Jesu zeigen könnte, kommen kaum noch. „Alle, die vom Tourismus gelebt haben, wissen nicht, wie sie genug zum Leben verdienen sollen.“ Lebensmittel und Wasser, die die Besatzungsmacht rationiert, aber auch alltägliche Güter seien rar.
Zuhause in Bethlehem war und bildet die Großfamilie das soziale Netz, denn eine staatliche Fürsorge gibt es nicht. Olivenbäume begründen oft die wirtschaftliche Existenz, die nun stark bedroht ist: wenn jüdisch-nationalistische Siedler wegen ihres Sicherheitsbedürfnisses im Westjordanland immer neue Mauern errichten, müssen auch die Olivenbäume weichen, wie Faten Mukarker anschaulich am Verlust des eigenen Grundbesitzes belegte. Demütigend seien die anrückenden Bulldozer, geschützt durch israelische Soldaten.
Mit einem historischen Überblick über die Umverteilung von Grund und Boden seit dem UN-Teilungsplan des Landes Palästina von 1947, erklärte Mukarker die Frustration und Hoffnungslosigkeit der arabisch-palästinensischen Bevölkerung. Die jüdisch-israelischen Gebiete seien völkerrechtswidrig sukzessive ausgeweitet, viele palästinensische Dörfer zerstört worden. Ein Großteil der Palästinenser hätten bei Vertreibung und Flucht vor einem erneuten Krieg, ihr Haus abgeschlossen und den Schlüssel mitgenommen – in der Hoffnung nach Hause zurückkehren zu können. Zur Anschauung präsentierte Faten Mukarker die Skulptur eines überdimensionalen Schlüssels über einem Torbogen, die den Gedanken an das wach halten soll, was arabisch Nakba, die Katastrophe der Vertreibung, genannt wird.
Vom Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 habe sie aus den Nachrichten erfahren. Sie war fassungslos, dass Menschen zu so etwas fähig seien. Dass aber in der Folge die Regierung Israels nicht zwischen Zivilbevölkerung und Extremisten differenzieren könne und an allen Menschen Vergeltung übe, verstehe sie nicht. Dadurch drehe sich weiterhin der Teufelskreis aus Hass, Rache und Vergeltung. Mit dem Friedensvertrag von Oslo (1993) hätten sie und ihre jüdischen Freunde Hoffnung gehabt, so Mukarker. Die Idee damals war es, dass Israel Land für Frieden abgibt, aber diese Idee werde seitdem von extremen, nationalistischen Kräften torpediert. Politische Proteste gegen die Regierung in Israel zeigten ihr aber, dass auch die israelische Bevölkerung unzufrieden sei. „Nur wenn wir Hand in Hand der Zukunft entgegen gehen, wird es für beide Völker ein Überleben geben.“
So wie eine Schneeflocke allein kaum Gewicht habe, viele Millionen Schneeflocken aber auch den Ast eines mächtigen Baumes brechen könnten, so hofft Mukarker darauf, dass viele Millionen Stimmen für den Frieden die Kriege um ihr Heimatland beenden können.